WildSAUFäscht in Wiggensbach

Die Jahreszahl und der Ort sind bekannt: Wiggensbach. Das Datum steht fest: 2. Oktober. Und auch der Titel lässt kaum Raum für Spekulationen: WildSAUFäscht. Hier geht es um mehr als bloß eine Veranstaltung – der Titel verspricht ein Spektakel, eine Art sinnbildliches Bacchanal, das zwischen lokaler Tradition und subversiver Feierkultur oszilliert. Doch was verbirgt sich hinter dieser schillernden Fassade? Wie können wir die Zusammenhänge, die Ambitionen und die möglicherweise tiefere Bedeutung dieses "WildSAUFäscht" deuten?

Fangen wir beim Offensichtlichen an: Das Wortspiel „WildSAUFäscht“ springt förmlich ins Auge und weckt gleich zwei Assoziationen. Einerseits die „Wildsau“, dieses urtümliche, raubeinige Tier, das seit Jahrhunderten als Symbol für Instinkt, Urkraft und Naturverbundenheit steht. Andererseits die „Sau“, als Metapher für das enthemmte, das Grenzenlose, das Dionysische, das sich in Feste wie dieses einschleicht, sobald der Geist in den Hintergrund tritt und das Laster die Oberhand gewinnt.

Aber, halt! Ist das zu einfach gedacht? Können wir sicher sein, dass der Begriff "Wildsau" nur auf das Tier und die damit verbundene Deftigkeit zielt? Oder könnte die Wildsau namens „Gustl“, wie hier betont wird, gar als ironisches Spiel mit unserer Erwartungshaltung verstanden werden? Wäre sie am Ende vielleicht sogar eine Karikatur unserer eigenen Instinkte, eine Figur, die uns mit einem Augenzwinkern den Spiegel vorhält?

Es lohnt sich, tiefer zu graben. Im Geiste Immanuel Kants („Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“) sollten wir nicht sofort der einfachsten Lesart verfallen. Denn auch Kant wusste: Wo die Vernunft endet, fängt das Spekulative an. Vielleicht liegt der wahre Kern dieses Festes nicht in der Wildheit, sondern im gemeinschaftlichen Akt des Feierns selbst. Ist es nicht Jean-Jacques Rousseau, der in seinem „Discours sur l’origine et les fondements de l'inégalité parmi les hommes“ argumentierte, dass der Mensch in seiner natürlichsten Form im Einklang mit seinen Mitmenschen lebt? Vielleicht ist das WildSAUFäscht also weniger eine Feier der Enthemmung, als vielmehr ein modernes Ritual, das uns daran erinnert, dass die Gemeinschaft über allen individuellen Ausschweifungen steht.

Doch auch Friedrich Nietzsche wäre hier nicht fern. In seiner „Geburt der Tragödie“ beschreibt er die unaufhörliche Spannung zwischen dem Apollinischen, dem Maßvollen, und dem Dionysischen, dem Exzessiven. Ist das WildSAUFäscht am Ende die perfekte Verkörperung dieses philosophischen Dualismus? Der Titel selbst scheint bereits eine dionysische Entfaltung zu verheißen, und doch: Gibt es hier vielleicht auch eine apollinische Ordnung, eine versteckte Struktur, die das Fest heimlich in festen Bahnen hält, während es nach außen hin den Schein des Chaos wahrt?

Das philosophische Denken führt uns also zu einer ambivalenten Deutung. Während der Titel „WildSAUFäscht“ uns einerseits zur Annahme verführt, dass hier maßlose Ausschweifungen im Vordergrund stehen, könnten wir andererseits, mit ein wenig philosophischem Wohlwollen, den Gedanken wagen, dass es sich um ein tiefergehendes, vielleicht sogar symbolisches Ereignis handelt. Ein Ereignis, das – ganz im Sinne von Martin Heideggers „Sein und Zeit“ – die Frage nach dem Sein in den Mittelpunkt rückt: Was bedeutet es, gemeinsam zu feiern? Was offenbart sich, wenn die Masken der Alltagsetikette fallen und der Mensch in seinen ursprünglichsten Zustand zurückkehrt?

Und wo steht hier die „Harmoniemusik Wiggensbach e.V.“, die sich als Veranstalter dieses offenbar alles andere als trivialen Festes zeigt? Der Verein mit seinen musikalischen Wurzeln in der Tradition scheint zunächst einmal wie der apollinische Gegenpol zum titelgebenden „Saufen“. Musik, vor allem die Harmonie, gilt seit jeher als das verbindende Element, das die Gesellschaft zusammenführt, eine Gegenkraft zum Chaos. So könnte die Anwesenheit der Harmoniemusik auch hier eine subtile Anspielung auf den musikalischen Ausgleich inmitten der feierlichen Entgrenzung darstellen. Wie Platon bereits im „Timaios“ feststellte, liegt in der Musik die kosmische Harmonie – und was wäre geeigneter, als sie inmitten eines „WildSAUFäschts“ zu zelebrieren?

Am Ende des Abends bleibt vielleicht ein Gedanke, der uns – nach all der Reflexion und Spekulation – wieder zurück zum Ursprung führt. Der Mensch, das „feiernde Tier“, wie es Nietzsche in „Also sprach Zarathustra“ beschreibt, wird im kollektiven Rausch die Distanz zum eigenen Selbst überwinden, um sich in der Gemeinschaft aufzulösen. Doch dabei bleibt die Frage: Wo endet das Fest und wo beginnt die Philosophie?

„Die Welt ist ein Wille und Vorstellung“, schrieb Arthur Schopenhauer einst und legte damit nahe, dass jede Erfahrung in der subjektiven Wahrnehmung begründet ist. So auch dieses Fest: Was der Einzelne darin sieht, wie er es erlebt, ob als ungestüme Feier oder als tiefgründiges Ritual der Zusammenkunft – all dies liegt letztlich im Auge des Betrachters.

Vielleicht also wird der 2. Oktober in Wiggensbach zu einer Metapher für die conditio humana selbst: einem ständigen Wechselspiel von Ordnung und Entgrenzung, von Individuum und Gemeinschaft.

Quelle

 
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Ort:
Musikheim, Wiggensbach